Faszination Mittelamerika


Von Silberschiffen und Piratenschätzen

Piraaaateeeeeen!!! Dieser Schrei war auf den Handelsschiffen früher gefürchteter als Stürme oder Skorbut. Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert war die Karibik Zentrum der Seeräuberei. Auf den Inseln entstanden zahllose Festungen, Kanonenkugeln flogen, Schatzschiffe sanken, es wurde geplündert und geraubt. Es waren verrückte Jahrzehnte; Jahrzehnte, in denen all die irren Typen auftauchten, die noch heute durch Abenteuerbücher und –filme geistern: verwegene Typen mit Narben im Gesicht, ein farbiges Tuch um den Kopf, einige mit Augenklappe oder Holzbein, Papagei auf der Schulter und Entermesser im Gürtel. Wo immer ich während meiner Karibik-Rundreise im April an Land ging, hörte ich Geschichten von versunkenen Galeonen und sagenhaften Piratenschätzen...

Mein erstes Reiseziel befand sich im Südosten der Dominikanischen Republik, ganz in der Nähe des Fischerdorfes Bayahibe. Hier vor der Küste Hispaniolas liegen noch zahlreiche unentdeckte Wracks mit unvorstellbaren Reichtümern verborgen. Verheerende Stürme, Untiefen, die auf keiner Seekarte verzeichnet waren, sowie Seeschlachten und Piratenüberfälle wurden unzähligen Schiffen auf den Weg von oder nach Santo Domingo zum Verhängnis. Im Laufe der Zeit zerstreute die Dünung des Ozeans ihre Überreste. Korallen siedelten sich an oder sie wurden mit Sand zugedeckt. Ich würde wahrscheinlich selbst dann nichts von einem solchen Wrack und seiner wertvollen Ladung bemerken, wenn ich nur wenige Zentimeter darüber tauchen würde. Einige der Schiffe wurden jedoch wieder entdeckt und ihre Silberladungen geborgen – aber längst nicht alles, und so sind diese Gewässer bis heute eine begehrtes Ziel für Schatzsucher und Taucher.



Gleich bei meinem ersten Tauchgang entdeckte ich im Naturschutzpark „Parque Nacional del Este“ im Sandboden zwei alte gusseiserne Kanonen nebst Kanonenkugeln. Befand ich mich über einem Wrack, vielleicht über einem Goldtransporter oder Silberschiff der spanischen Krone? Doch außer den zwei Kanonen ließ nichts auf eine spanische Galeone schließen. Und weit und breit keine Schatzkiste, kein Goldstück und kein einziger Silberbarren – einziger Schatz waren Schwärme von schmunzelnden Korallenfischen.



Ein weiteres Wrack – jedoch jüngeren Datums – befand sich direkt vor meinem Hotel, dem „Viva Dominicus Palace“, in 30 bis 44 m Tiefe. Es handelte sich um einen 80 m langen Frachter, der als St.-Georges-Wrack (benannt nach dem berühmten Orkan von 1989) bekannt ist. Die morbide Atmosphäre eines echten Geisterschiffs machen das Wrack zu einem wirklich lohnenden Tauchziel. Neben einer fetten Grünen Muräne ist auch ein standorttreuer großer Barrakuda ständiger Bewohner des Wracks.



Ein besonderes Erlebnis war die Tauchexkursion zur unterirdischen Süßwasser-Höhle „Padre Nuestro“. In einem alten, vergammelten Kleinbus fuhren wir von Bayahibe etwa eine halbe Stunde auf einer unbefestigten Straße vorbei an meterhohen Kakteen und dichtem Buschwerk ins Landesinnere. Vom „Parkplatz“ war es nochmals ein kleiner Fußmarsch samt Tauchausrüstung durchs unwegsame Gelände. Hier und da huschte eine Eidechse übers Gestein. Den Eingang zur Höhle entdeckte ich erst, als ich nur noch wenige Meter vor ihm entfernt stand. Der Einstieg zum Tauchen befand sich noch ein kleines Stück weiter im Inneren der Höhle. Ohne Taschenlampe war es hier schon fast stockfinster. Glasklares, erfrischendes Süßwasser und herrliche Formationen von Stalaktiten und Stalakmiten belohnten die Schlepperei der Ausrüstung. Die Besonderheit von „Padre Nuestro“ liegt darin, dass man nach ca. 20 Minuten Tauchzeit durch einen ca. 300 m langen Tunnel in einer luftgefüllten Kammer auftauchen kann.



Nach einer Woche verließ ich die Dominikanische Republik in Richtung Puerto Rico. Mein neues Heim war die „Jublilee“, ein riesiges amerikanisches Kreuzfahrtschiff. Wir passierten Mona Island, wo der berühmte Seeräuber Captain Kidd im Jahre 1699 seine Beute versteckt haben soll, und erreichten am nächsten Morgen Puerto Rico, was „reicher Hafen“ bedeutet. In der Hauptstadt San Juan zeigt die Festung El Morro noch heute, mit welchem Aufwand der Hafen geschützt wurde. Kein Wunder, stoppten doch hier die schwer mit Gold aus Peru, Smaragden aus Kolumbien und Silber aus Mexiko beladenen Galeonen vor ihrem Rückweg nach Spanien. Interessant wäre es am Fuße des Castillo del Morro nach versunkenen Schiffen und Altertümern zu suchen. Taucher haben hier schon in früheren Zeiten Kanonen, Musketen und viele Relikte aus kriegerischer Vergangenheit für die Museen geborgen. In der Bucht von San Juan ist jedoch das Tauchen verboten. Hauptgrund ist der rege Schiffsverkehr und die vielen Haie, die hier zwischen den Abfällen nach Fressbarem suchen. Bei einem Spaziergang entlang der Festungsmauer sah ich anstatt den markanten Dreiecksflossen der Haie zwei Manatees (Seekühe) wie sie friedlich in regelmäßigen Abständen zum Atmen an die Oberfläche kamen.


Puerto Rico Puerto Rico

Am nächsten Tag erreichte die „Jubilee“ die Jungferninseln. Sie bestehen aus ungefähr 100 zumeist unbewohnten Eilanden und liegen östlich von Puerto Rico. Mit ihren versteckten Buchten, verwinkelten Meerengen und geheimen Grotten waren die Vulkaninseln einst berüchtigter Tummelplatz für Seeräuber. Wer sich immer schon gewundert hat, wie 15 Mann auf des toten Manns Kiste passen, einschließlich einer Buddel voll Rum – „Yo ho ho“ – der findet hier auf den Virgin Islands die Antwort. Denn auf dem sargförmigen Mini-Eiland Dead Chest Island setzte der berühmte Pirat Blackbeard angeblich seine meuternde Mannschaft mit nichts weiter als eine Flasche Rum aus.



Heute sind die Jungferninseln zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien aufgeteilt. Wir ankerten in Charlotte Amalie, der Hauptstadt der U.S. Virgin Islands. Mit ihren Palmen, roten Dächern, steilen Alleen und den alten, noch aus der dänischen Kolonialzeit stammenden Warenlagern, bietet das Städtchen ein reizvolles Bild. Dort verkaufen sog. „Treasure Hunters“ von der alten Seekarte über Silber- und Goldmünzen bis hin zu Säbeln alles was sie den umliegenden Wracks herausholen konnten.



In Charlotte Amalie erinnern die Ruinen von Blackbeard´s Castle an den berüchtigten Seeräuber Blackbeard, der hier im Kreise seiner 14 Frauen gehaust haben soll. Sein richtiger Name war Edward Teach, und er war wohl bei weitem der berüchtigtste Pirat, der je gelebt hat. Teach war offensichtlich geistesgestört. Er heirate vierzehnmal, verleih seine jungen Frauen in aller Öffentlichkeit an seine Kumpane, schoss von Zeit zu Zeit auf die eigenen Leute, erhob von den verängstigten Bewohnern der nordamerikanischen Ostküste „Steuern“ und raubte gelegentlich ihre Frauen und Töchter.



Richtig bekannt bzw. berüchtigt wurde Teach unter seinem spektakulären Namen Blackbeard („Schwarzbart“), ein Titel, den er zu seinem Vorteil pflegte. Vor einer Schlacht steckte er sich langsam brennende Lunten an das Ende seines wuchernden schwarzen Bartes, die er anzündete, wenn sich feindliche Schiffe näherten. In vielen Fällen reichte der bloße Anblick von ihm, wie er mit teuflisch glühendem und rauchendem schwarzen Bart an Deck stand, um Kapitäne von Handelsschiffen so zu erschrecken, dass sie sofort kapitulierten.

Meine Reise führte mich weiter nach Antigua & Barbuda, St. Lucia und Dominica. Auch diese Inseln haben ihre eigenen Piratengeschichten. So schlug im 16. Jahrhundert der französische Pirat Jambon de Bois („Holzbein“) sein Lager auf dem Inselchen Pigeon Island vor der Küste St. Lucias auf, um spanische Schiffe auszurauben. Der Legende zufolge sind dort all seine Kisten mit dem Inka-Gold versteckt. Tatsächlich überliefert ist, dass der Einbeinige und seine wilden Gesellen viele spanische Galeonen enterten und Gold sowie andere wertvolle Fracht erbeuteten. Von seinem Schatz hat man bisher nichts gefunden.



St. Lucia selbst erlebte ich als eine der wohl landschaftlich reizvollsten Inseln der Kleinen Antillen. Die zerklüftete Vulkanlandschaft der Inseln mit üppiger Vegetation und exotischer Tierwelt machten ihren besonderen Reiz aus. Nach einer Wanderung durch den tropischen Regenwald war ein erfrischendes Bier, benannt nach den beiden Zwillingsbergen Gros Piton und Petit Piton, genau das richtige. Die zuckerhutförmigen Riesen, die über tiefblauen Küstengewässern St. Lucia´s in den Himmel ragen, gelten als Wahrzeichen der Karibik.

Als am nächsten Tag in Rosseau, der Hauptstadt Dominicas, die Schiffssirene der „Jubilee“ ertönte, hieß es Abschied nehmen. Der lange dunkle Ton signalisierte, dass man nun die Gangway einholen würde. Das Schiff fuhr langsam aus dem Hafen hinaus und nahm wieder Kurs auf die Dominikanische Republik.

(Erstveröffentlichung in „Adlershofer Flossenblätter“ Ausgabe 55/2004)

Fotos/Text: Roger Blum





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